„Landwirtschaft heute und morgen in der Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung“

Wed, 31 Jan 2024 21:49:14 +0000 von Uwe Schrader

(Stand 26. Januar 2024)

Die Dörfer und Bauernschaften in unserer Kirchengemeinde sind landwirtschaftlich geprägt. Viele Menschen und Familien leben in, mit und von der Landwirtschaft als Grundlage ihrer Existenz.
 
Der Situation der landwirtschaftlichen Familienbetriebe ist seit Jahren von einem tiefgreifenden Strukturwandel betroffen. Auf vielen bäuerlichen Familienbetrieben lastet der Entscheidungsdruck, sich durch stetiges Wachstum den hohen wirtschaftlichen Anforderungen anzupassen. Das bedeutet, sich auf neue Richtlinien und Vorgaben umzustellen oder - was immer häufiger schweren Herzens geschieht - ganz aufzugeben. 1979 gab es im Landkreis Osnabrück insgesamt 8.119 landwirtschaftliche Betriebe. Im Jahr 1991 noch 6.433 und im Jahr 2020 waren es noch 2.220. Das heißt innerhalb von 40 Jahren ein Rückgang um 73 Prozent.
 
Einengende Gesetze, Richtlinien und Verordnungen, aufwändige und zeitintensive Dokumentationspflichten, fallende Preise, Kostendruck und fehlende Wertschätzung; Die unmittelbaren Folgen sind Resignation, Überforderung und Ohnmacht. Skepsis und Fragen nach Perspektiven für die Zukunft sind die Dauerthemen in den Familien auf den Höfen.

Grund und Boden der bäuerlichen Familienbetriebe werden oftmals Spekulationsobjekte fremder Investoren, die mit Landwirtschaft nichts mehr zu tun haben. Hochwertige Nahrungsmittel werden in den Verbrauchermärkten als Lock- und Ramschware angeboten.
 
Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen sich zunehmend mit einem Verlust an Einfluss und Wertschätzung und zugleich mit gewachsenen Ansprüchen des Marktes auseinandersetzen. Politik und Gesellschaft fordern mit wechselnden Schwerpunkten hohe Standards für Tierwohl, Artenvielfalt, Grundwasserqualität und für ein abwechslungsreiches Landschaftsbild. Landwirtschaftliche Erzeugnisse sollen für die Verbraucher ausreichend und preiswert vorhanden sowie ständig verfügbar sein. Aber bitte auch ökologisch nachhaltig und ethisch einwandfrei produziert. Nur wenige Verbraucher sind bereit, dafür einen kostendeckenden Preis zu zahlen. Gleichzeitig ist es vielen Bäuerinnen und Bauern kaum mehr möglich, ihre Höfe ohne Subventionen profitabel zu bewirtschaften.
 
Um unsere Landwirtschaft nachhaltig zu gestalten, darf Ackerland nicht zum Spekulationsgut werden. Seit Ausbruch der Weltfinanzkrise 2008 fließt immer mehr Spekulationsgeld von außerlandwirtschaftlichen Investoren in Äcker, Grünland und Wald als sicherer Ort für ihre Geldanlage. Als Folge haben sich die landwirtschaftlichen Bodenpreise in Deutschland in den letzten zwölf Jahren mehr als verdoppelt. Es braucht Menschen, die Landwirtschaft mit Begeisterung, Hingabe und Fachwissen betreiben. Es braucht Menschen, die ehrlich und sorgsam mit Tieren, Pflanzen und Boden umgehen und die Schöpfung bewahren. Und es braucht eine Gesellschaft, die bereit ist, mit Wertschätzung einen kostendeckenden Preis zu zahlen.
 
Jeden Tag müssen in Deutschland über zwanzig Höfe aufgeben. Gleichzeitig kaufen außerlandwirtschaftliche Investoren Hunderttausende von Hektar Ackerland. Das ist eine schlechte Nachricht für unsere Gesundheit und für unsere Natur. Denn eine gesunde Gesellschaft ist angewiesen auf gesunde Lebensmittel aus einer möglichst regionalen und nachhaltigen Landwirtschaft. Bestehende Höfe befinden sich in einem unaufhörlichen finanziellen Überlebenskampf. Die Folge davon ist, dass immer weniger Menschen mit immer größeren Maschinen immer größere Flächen bewirtschaften. Soziale und ökologische Gedanken finden in dieser Art der Landwirtschaft immer weniger Platz. Zunehmend zeigen sich bereits die ökologischen Auswirkungen der intensiven Landnutzung.
 
Viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben keine Vorstellung davon, was die bäuerlichen Familienbetriebe leisten. Selten sagt jemand: "Danke, ihr Landwirte. Ich bin satt geworden." Dieser Dank dürfte viel öfter ausgesprochen werden. Die Menschen auf den Höfen stecken viel Kraft und viel Herzblut in ihren Beruf. Viele junge Menschen in den bäuerlich Familienbetrieben gehen voller Schwung und Begeisterung an diese Aufgabe heran. Sie bringen sich ein und haben Ideen, wie sie in Zukunft den eigenen Hof bewirtschaften möchten. Herausforderungen werden gemeinsam generationenübergreifend gemeistert und Lösungen entwickelt. Leider hinterlassen Arbeitsbelastung, Unwägbarkeiten und die Anforderungen von Politik und Gesellschaft an die Landwirtschaft auch ihre Spuren in den Familien.
 
Um diesen vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden, stehen wir auch in unserem Kirchenkreis und in unserer Kirchengemeinde vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Wir dürfen die landwirtschaftlichen Betriebe nicht allein lassen. Das alles kann nur gemeinsam von den in der Landwirtschaft Tätigen und den Verbrauchern, aber auch von der Futtermittelindustrie, Agrarchemie und Agrarforschung sowie den Verbänden und politisch Verantwortlichen bewältigt werden.
 
Die Verantwortung für die Schöpfung ist zentraler Bestandteil im christlichen Denken. Sie ist darin begründet, dass der Mensch Geschöpf unter Mitgeschöpfen ist und in eine Schicksalsgemeinschaft mit allen Geschöpfen eingebunden ist. Der Schöpfungsauftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren, sie zu einem für alle bewohnbaren Lebensraum zu gestalten, muss in jeder Generation schöpfungsbewahrend neu verstanden und umgesetzt werden.
 
Am Erntedankfest wird in unseren Kirchengemeinden daran erinnert, dass das Leben auf dem Land in besonderer Weise von der Erkenntnis geprägt ist, angewiesen zu sein auf die Gaben der Schöpfung. Diese wohlgemeinte Thematisierung und der Dank für die Gaben nur am Erntedankfest reicht nicht aus.
 
Was braucht es und was müssen wir tun, um dieser gemeinsamen demokratischen Verantwortung in Gegenwart und Zukunft gerecht zu werden?
 
Umsturzbestrebungen, Verunglimpfungen, Angriffe auf Einzelpersonen und politische Entscheidungsträger dürfen dabei keinen Platz haben.
 
(Textzusammenfassung Uwe Schrader, Foto Ev.-luth. Landeskirche Hannovers)
Quelle: Foto Ev.- luth. Landeskirche_Hannovers
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